Meine Mutter besaß ein Handarbeitsgeschäft. In der Zeit gab es in der Schweiz noch überall Trio Wolle aus Burgdorf im Kanton Bern. Aus unserem Nachbardorf Aarwangen, ebenfalls im Kanton Bern, stammte sogar die Aarlan Wolle. Und in Reiden, Kt. Luzern, nur ein Katzensprung vom Elternhaus entfernt, sitzt bis heute Lang Yarns. Die haben dort übrigens einen Fabrikverkauf 😉
Es war eine Zeit, als Sockenwolle immer ein “Fächtli” innen im Knäuel hatte. Fächtli? Beilaufgarn. Ich sehe noch vor mir, wie meine Mutter beide Zeigefinger in die Knäuel steckte, um zu prüfen, ob ganz sicher ein Fächtli drin war, bevor sie es der Kundin aushändigte.* Es konnte passieren, dass die kleinen Rollen herausrutschten. *Es waren immer Kundinnen. Und die Vertreter, die mit ihren Sortimentskoffern kamen, waren immer Männer. Mir fällt gerade etwas ein, das überhaupt nicht zum Thema gehört: Damals gab es Kataloge, in denen zu jedem Garn vier oder fünf Fäden davon eingeklebt waren. Das war wirklich super. Die kleinen Wollgeschäfte konnten keine riesigen Lager anlegen. Die Kundinnen kamen, die Kataloge mit den Fadenmustern wurden konsultiert, die Ladenbesitzer bestellten bei der Fabrik das Material. Per Telefon, das irgendwo im Haus installiert war. Die Wolle kam per Post, manchmal wurde sie auch vom Vertreter gebracht, wenn der sowieso in der Nähe zu tun hatte. Die Kundin wurde angerufen, dass sie ihre Wolle holen kann. Oder ich wurde entsendet, die Ware zu bringen und auf keinen Fall von dort wegzugehen, bevor ich das Geld hatte. Die Rechnung/Quittung hatte ich schon dabei, von der Mutter fertig ausgefüllt. Ich kann euch sagen, dass ich manchmal sehr lange vor diesen Häusern gewartet habe, bis die Damen endlich mit dem Geld herauskamen. Bei einer dauerte es fast eine halbe Stunde. Ich war gar nicht sicher, ob die überhaupt wieder rauskommt oder jetzt einfach mit der Ware im Haus verschwunden ist.
Es war wirklich noch eine komplett andere Zeit.
Ihr könnt euch das Sockenstricken damals ungefähr so vorstellen: Es gab Regeln.
– Das Bündchen strickt man mit 2 oder 2,5 mm
– Alles andere strickt man mit der gröberen Nadel, was dann 2,5 oder 3 mm war.
– Bündchen und Schaft (ich meine fast, es wurde “Rohr” genannt), waren gefälligst lang. Mindestens so lang wie der Fuß.
– Es gibt ganz genau eine richtige Art, die Ferse zu stricken. Käppchenferse. Und wer die Ferse ohne Beilaufgarn strickt, ist dumm, faul und so richtig ein blödes Huhn. Die schräge Ferse (Bumerang und so) war in manchen Heften, aber: “Das ist nichts. Das passt nicht. Mach die richtige Ferse.” Das sagte übrigens die gleiche Mutter, die Socken auf der Doppelbettmaschine von Turmix strickte. Da ich das später von ihr gelernt habe, kann ich dazu nur sagen: Was meint ihr, welche Ferse mit dem Strickapparat gestrickt wird? Hm? Eine schräge Ferse 😀
– Am Fuß konnte man scheinbar nichts falsch machen oder ich wüsste es nicht mehr.
– Zehen: Die richtige Spitze ist natürlich die Bandspitze, weil sie einfach schöner und gekonnter ist. Wer eben nicht so gut stricken kann, soll halt in Gottes Namen die Sternspitze stricken. Aber man sieht halt sofort, dass jemand nicht viel Ahnung hat, wenn da keine Bandspitze ist. Und wehe, mit den Zehen wurde kein Beilaufgarn mitgestrickt! Mein Vater hatte große Füße und es wurde immer kritisch, dass das Fächtli reicht. Ich habe immer gehofft, dass Mutti nicht merkt, dass die letzten paar Runden nicht verstärkt waren.
Dabei war das blöd von mir, denn meine Mutter hatte immer zusätzliches Beilaufgarn im Lager. Ich hätte nur etwas sagen müssen.
Jedenfalls hat sich beim Sockenstricken in den jüngsten Jahrzehnten extrem viel getan. Heute gibt es kaum mehr “man muss das so machen”. Ich habe kürzlich festgestellt, dass längst nicht alle strickenden Menschen wissen, was Ravelry ist. Ravelry ist eine Homepage, auf der ihr unzählige Anleitungen finden könnt. Unzählige = 1 393 522 Anleitungen, Stand am 23.03.2025 um 07:18.

Screenshot Ravely Mustersuchstartseite. Der Link dazu: bitte hier klicken (öffnet neuen Tab)
Es gibt zig verschiedene Arten, Fersen zu stricken und natürlich auch die Zehen. Nicht gerade wenige Menschen stricken Socken verkehrt. Sie fangen bei den Zehen an. Das hat sich längst etabliert.
So. Als ich in den 80er Jahren zu meiner Mutter sagte, man könnte doch Socken von den Zehen her stricken … Ihr wisst es schon, was die Antwort war 😀
Wenn ihr euch auf Ravelry umseht, werdet ihr Varianten finden, da gehen euch die Augen über.
Wozu Fersen und Spitzen verstärken?
Füße sind trotz aller Modernisierung der Stricktechniken immer noch Füße, die bei vielen Leuten in der Machart einigermaßen ähnlich sind. Geändert hat sich:
– Es gibt mehr Möglichkeiten, Hornhaut zu bekämpfen, resp. der Wille dazu, diese loszuwerden, ist weiter verbreitet. So etwas wie “Fußpflege durch ausgebildete Personen” scheint es gar nicht gegeben zu haben?
– Die meisten Leute haben ein größeres Sockensortiment im Kasten. Bedeutet, dass mehr abgewechselt wird und die einzelnen Paare länger halten.
– Weniger Menschen tragen schwere Arbeitsschuhe.
– Es steht etwas mehr Geld zur Verfügung, um neue Socken zu kaufen oder neue Wolle.
Die Notwendigkeit, Fersen und Spitzen zu verstärken, ist also allgemein betrachtet weniger gegeben. Aber es gibt natürlich immer noch Gegebenheiten, die das Verstärken erfordern:
– Ich behaupte, dass heute mehr Menschen schwerer sind als früher. Mehr Gewicht = mehr Belastung für die Socken.
– Immer noch – und das wird sich nie ändern – arbeiten Menschen in harten Schuhen. Ihre Socken werden viel stärker beansprucht als die von Leuten mit mehrheitlich sitzender Tätigkeit.
– Handgestrickte Socken sind wertvoll. Denkt nur an die Arbeitszeit, die überhaupt nicht in Rechnung gestellt werden kann. Kleine Rechnung: Wer sehr flink strickt, hat ein Paar Socken in 8 Stunden fertig (das ist aber sehr, sehr schnell!). 8 h x 15 € = 120 € alleine Arbeitswert. Dann noch 8 – 10 € Material dazu. Diese Socken SIND wertvoll! Sie halten aber länger, als Industriesocken. Ich habe Socken, die über 15 Jahre alt sind und sie sind noch völlig in Ordnung (dem ganzen Artikel hier zum Trotz sind sie ohne Beilaufgarn gestrickt 😉 ).
Es lohnt sich auf jeden Fall, die selbstgestrickten Socken je nach Erfordernissen zu verstärken. Man kann es auch sein lassen und dünne Stellen reparieren, wenn sie auftreten. Ganz oft erwischt man aber diesen Moment zu spät und dann viel Spaß mit dem Stopfen.
Nun gibt es verschiedene Wege, Ferse und Spitze zu verstärken und auch Sohlen.
Ferse verstärken mit dichten Strickmustern.
Mir gefällt das Muster mit den versetzten Maschen gut. Hier das Beispiel für eine Fersenwand von 30 Maschen Breite:
1. Reihe (Hinreihe): 2 Maschen rechts, *1 Masche abheben wie zum links stricken (Faden muss hinter der Arbeit sein), 1 Masche rechts**; zwischen * und ** wiederholen, bis noch 3 Maschen sind, diese rechts stricken.
2. Reihe (Rückreihe): 2 rechts, alle Maschen links, die 2 letzten Maschen rechts.
3. Reihe (Hinreihe): 3 Maschen rechts, *1 Masche abheben wie zum links stricken (Faden muss hinter der Arbeit sein), 1 Masche rechts**; zwischen * und ** wiederholen, bis noch 2 Maschen sind, diese rechts stricken.
4. Reihe: (Rückreihe): 2 rechts, alle Maschen links, die 2 letzten Maschen rechts.
Die 4 Reihen wiederholen.
Das ist die Strickschrift dazu.
– = linke Masche
| = rechte Masche
V = Masche abheben wie zum links stricken, Faden hinter der Arbeit

Es geht auch ohne Versatz, was Längsstreifen ergibt:
Auch hier das Beispiel für eine Fersenwand von 30 Maschen Breite:
1. Reihe (Hinreihe): 2 Maschen rechts, *1 Masche abheben wie zum links stricken (Faden muss hinter der Arbeit sein), 1 Masche rechts**; zwischen * und ** wiederholen, bis noch 3 Maschen sind, diese rechts stricken.
2. Reihe (Rückreihe): 2 rechts, alle Maschen links, die 2 letzten Maschen rechts.
Beide Reihen wiederholen.
Das ist die Strickschrift dazu.
– = linke Masche
| = rechte Masche
V = Masche abheben wie zum links stricken, Faden hinter der Arbeit

Vorsorglich stopfen, direkt nach dem Stricken
Die zwei Möglichkeiten, die ich kenne:
Verstärken mit dem Maschenstich
Du machst eigentlich nichts anderes, als mit dem Beilaufgarn im Maschenstich über die Stellen zu sticken, die du verstärken willst. Du wirst im Internet Anleitungen für den Maschenstich finden. Ich habe gerade kein Beispiel, das ich fotografieren könnte. Übrigens scheint es neuerdings cool zu sein, das Ding Duplicate Stitch zu nennen, weil die deutsche Sprache ja keine eigene Bezeichnung hat für einen Stickstich, der dem natürlich Verlauf des gestrickten Fadens folgt und folglich aussieht wie eine Masche …
Beilauffaden innen einweben
Das Beilaufgarn wird auf der Innenseite durch die Querglieder der linken Maschen gewebt. Was hier ein bisschen heikel ist: Ein Gewebe ist nicht so dehnbar wie ein Gestrick. Du musst acht geben, deine Strickarbeit nicht zu unflexibel zu machen, wenn du Fäden einwebst. Für das Bild habe ich nur kurz an einer unfertigen Socke improvisiert, damit du siehst, was ich meine. Du machst das natürlich viel exakter und schöner.
Der Vorteil dieser Methoden: Du kannst unter den Fußballen verstärken, ohne dass dadurch der Strumpf auch auf der Oberseite dicker wird.

Ferse und Spitze verstärken durch Mitstricken von Beilaufgarn
Jetzt kommen wir langsam zum Kern dieses Artikels 😉
Falls du das noch nie gemacht hast: Es ist denkbar einfach. Du strickst mit zwei Fäden. Nimm die Sockenwolle und das Beilaufgarn gleichzeitig und strick mit diesen zwei Fäden über Ferse und eventuell Zehen. Es hat sich übrigens in meiner Sockenkarriere erwiesen, dass ich hinten an der Ferse noch nie ein Loch hatte. Sie entstehen unten. Es macht deswegen bei mir und wahrscheinlich bei sehr, sehr vielen anderen Leuten keinen Sinn, die Fersenwand zu verstärken. Es reicht, den Teil zu verstärken, auf dem man steht, was bei der Käppchenferse das Käppchen wäre. Hätte ich mir das früher überlegt, hätte auch immer das Beilaufgarn für die ganz großen Socken gereicht …
Wie kommt man zu Beilaufgarn?
Man kauft es oder man macht es selbst. Ich verlinke unten Bezugsquellen.
Früher ist es passiert, dass ich immer wieder Beilaufgarn geschenkt bekommen habe. Denn es hat sie immer gegeben, die Frauen, die OHNE Beilaufgarn gestrickt haben. Ihr könnt euch inzwischen denken, wie die Meinung meiner Mutter über diese Damen war. Aber sie hat mir mehr als einmal Tragetaschen gegeben, die voll waren mit Fächtli, die jemand nicht brauchen konnte. Gut, zur Verteidigung mancher dieser Frauen muss ich erwähnen, dass mit der Sockenwolle auch Pullis und Pullunder gestrickt worden sind. Ja, wirklich, mit 2 und 2,5 mm dünnen Nadeln. Natürlich blieben da die Garnröllchen übrig.
Der Tag aber kam, an dem ich mich auf einmal ohne schwarzes Fächtli fand. Es waren Auftragssocken und ich wollte sie fertig bekommen. Zu der Zeit hatte ich ziemlich viele Strickaufträge. Ich wusste, dass bei diesen Socken Beilaufgarn sein muss! Geschäfte halt schon zu, Samstag war auch und die rettende Mutter mit ihren Vorräten viel zu weit entfernt. Ich grübelte, womit ich das dünne Fädchen ersetzen konnte. Material war gewiss genug da. Häkelgarn, Stickgarn, Rohwolle, Nähfaden, alles da. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass diese Dinge kein Beilaufgarn sein können. Falsche Zusammensetzung, andere Pflegebedürfnisse und so weiter. Das einzige, was für mich Sockenbeilaufgarn sein kann, ist Sockenbeilaufgarn. Punkt. Das brachte mich zur Erkenntnis, dass ich gar kein Problem habe, denn ich muss einfach nur Sockengarn teilen und ich habe Beilaufgarn.
Übrigens weiß ich, dass manche Konengarn dazu stricken. Ich will das nicht.
Die Prozedur
Ich sage euch gleich, es ist nicht unmühsam! Ich teile tatsächlich 4-fädiges Sockengarn, wenn es denn sein muss. Ich teile es auf in je 2 Fäden, aber ihr könnt auch 4 x 1 Faden abteilen. Ich glaube zwar nicht, dass das jemand aushalten kann 🙂
Vorgehen: Ich wickle so viel Sockenwolle, wie vermutlich reichen wird (nie gemessen), zu einem kleinen Knäuel. Eine Stricknadel wird durchgesteckt. 2 Stück Papier und Büroklammern bereit legen. Mit einer Wollnadel am Garnende je zwei Fäden abteilen. Und dann langsam voneinander ziehen. Knäuel austrudeln lassen. Die je 2 Fäden einzeln austrudeln lassen. Wenn sie sich nicht mehr verzwirbeln, auf das Papier wickeln und mit der Büroklammer befestigen. Wieder auseinanderziehen und warten, bis es ausgetrudelt ist und so weiter und so fort.
Es ist aufwändig, aber eine gute Notlösung. Seit vielen, vielen Jahren überlege ich mir, ob ich jemals jemandem erzählen soll, dass ich solche Aktionen mache, wenn nötig. Aber es ist richtig, denn: Es ist nicht nur eine super Lösung, wenn das Beilaufgarn fehlt, sondern eine gute Resteverwertung. Viele von uns haben Sockenwollreste, die nur noch einige Meter lang sind. Oder Farbstücke, die einfach nirgend passen. Ich musste zum Beispiel das Gelbe herausschneiden, da es gerade einfach nicht passte. Diese Reste sind prädestiniert dafür, Beilaufgarn zu werden! Wir alle sollten Ressourcen schon, wo immer es geht.
Ich habe schon Fersen verstärkt mit lauter eigenhändig geteilter Sockenwolle von jeweils nur ein paar Metern. Stück für Stück mitgestrickt, nicht vernäht und nichts ist schiefgegangen. Das waren aber Socken für mich.


Bezugsquellen für Sockenbeilaufgarn
Online-Shops
Das Mitlaufgarn kostet nicht so viel und wer sich nicht die Prozedur des Garnteilen antun will, findet es in diversen Shops.
Was ich hier schreibe, entspricht meiner Meinung. Geld fließt dafür keins.
Lang Yarns hat immer noch Sockenwolle, die in jedem Knäuel ein Beilaufgarn hat! Wahrscheinlich macht das sonst niemand mehr. Hier ist der Link zu LANGYARNS JAWOLL, die es in über 80 Farben gibt: hier klicken (neuer Tab)
Ich habe diese Wolle immer geliebt. Jetzt habe ich schon einige Jahre keine mehr verstrickt und kann nicht sagen, ob sich etwas geändert hat. Aber die Sockenwolle von Lang war immer super. Sie war für mich immer eine Garantie, dass die Socken lange halten.
Fischer Wolle hat zum Beispiel Beilaufgarn: hier klicken (neuer Tab)
Buttinette hat Beilaufgarn und zwar sowohl in den üblichen 5 g-Portionen als auch in Knäueln von 50 g!
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Das Sockenwolle-Paradies hat es: hier klicken (neuer Tab)
Supergarne führt es: hier klicken (neuer Tab)
Ihr werdet noch viele weitere Möglichkeiten finden.
Bei Amazon müsst ihr aufpassen. Sehr viele Händler verkaufen dort Handarbeitszubehör, ohne die geringste Ahnung zu haben, was sie überhaupt verkaufen. Deswegen setze ich hier keinen Link. Beilaufgarn für Socken ist üblicherweise zusammengesetzt aus ca. 75 Schurwolle und 25 % Polyamid. Auf Amazon findet ihr ihr sogenannte Beilaufgarne mit 100 % Plastik. Ich würde das sicher nicht verwenden. Wenn ihr dort bestellt, müsst ihr wissen, was ihr benötigt.
Hier ist die Google-Suche zu “Beilaufgarn kaufen Socken”: hier klicken (neuer Tab)
Lokal kaufen
Und bitte vergesst nicht, dass es immer noch lokale, echte Handarbeitsgeschäfte gibt! Ein gutes Geschäft hat Beilaufgarne vorrätig oder kann sie euch auf jeden Fall beschaffen! Bitte unterstützt diese Läden – sie haben es immer schwerer, zu überleben!
Das Thema ist für mich hiermit abgearbeitet. Ich habe erzählt, was ich dazu zu sagen habe und ihr kennt eine Möglichkeit, eigenhändig Beilaufgarn zu “machen”, wenn ihr gerade keine Gelegenheit habt, welches zu kaufen.
🙂