Mein Beitrag mit Anleitung zur Handwäsche von Stricksachen ist hier, bitte klicken.
Jahrzehntelang habe ich Handarbeiten gemacht, ohne mich je zu fragen, ob meine Passion einen schädlichen Einfluss auf die Umwelt haben könnte. In den letzten Jahren bin ich auf kreative Techniken aufmerksam geworden, die zwar teilweise interessant waren, in mir aber Widerstand auslösten.
Der eine Trend war Acrylic Pouring: Acrylfarbe wird mit einem Malmittel vermischt, um sie fließfähig zu machen, ohne die Pigmentierung zu reduzieren. Die Farben werden becherweise über Keilrahmen geschüttet. Das Resultat ist mehr oder weniger steuerbar. Der Grat zwischen “sieht cool aus” und “abstoßend unnötig” ist schmal. Ich habe Videos gesehen, in denen literweise Farbgemisch über die Leinwandränder ins Nirvana flossen, deklariert als zu entsorgenden Überschuss. Bei aller Liebe zum kreativen Ausdruck, aber das stößt mich ab.
Der zweite Hype ist Kunstharz. Jawohl, Ohrringe mit eingegossenen Blüten sehen schön aus. Alle möglichen Dinge in Resin eingegossen können schön aussehen. Ich wollte anfangs überhaupt gar kein Geld dafür ausgeben, aber das Interesse war natürlich geweckt. Davor bewahrt, mich dem Resin-Trend anzuschließen, hat mich die Überflutung mit Produkten, die plötzlich auf Etsy und in sozialen Medien auftauchten. Weil es so einfach ist, super coolen Schmuck selbst zu machen und die Sachen sich so genial einfach verkaufen lassen (= “mache Resin-Schmuck und verdiene in kurzer Zeit ultra viel Geld mit wenig Aufwand”), sprangen viele Menschen auf den Zug auf. Und gefühlt die Mehrheit von ihnen hat vorher nie etwas gebastelt oder ein Handwerk ausgeführt. Dass es technisch keine zu große Herausforderung ist, Kunstharz in Formen zu gießen und Gegenstände darin einzulegen, bedeutet aber nicht, dass das Resultat gut ist. Schon gar nicht herausragend. Was manche Neo-Schmuckhersteller fabrizierten, war beschämend. Ich bin total dafür, dass Menschen kreativ sind. Es ist wichtig und liegt in unserer Natur! Aber den Unfug, den ich mehrheitlich sehen musste, hat mir abgelöscht. Man kann nicht einfach das Material kaufen und ist dann automatisch die Schmuck-Queen. Genau das dachten aber viele von sich. Und ich habe mich immer wieder geärgert, wieso man immer noch mehr Kunststoffe fabrizieren muss. Ich habe das Vorhaben Resin-Schmuck aufgegeben, weil ich nicht auch noch eine sein will, die diesen Planeten mit Resinmüll belastet.
Ich fand es zwar ein bisschen schade, dass ich die Dinge nicht machen konnte, die ich gerne mit Kunstharz gewerkelt hätte. Aber ich liebe diesen Planeten sehr. Ich will weder der Erde schaden, noch all den wunderbaren Lebensformen von der Mikrobe bis zum Blauwal. Mein Herzenswunsch ist es, einen großen Garten zu besitzen. Biogarten natürlich. Es ist eben jetzt so, dass ich nicht mit Resin arbeiten kann, aber meine Erde ist es mir wert, zu verzichten. Ich kann ja Sachen machen, die nicht umweltschädlich sind und die ich wirklich sehr, sehr gern mache. Stricken zum Beispiel. Stricken und Häkeln sind bekanntermaßen DIE Hobbys für so Ökofreaks in Sandalen. Punkt. Ich stricke und bin ein umweltfreundlicher Mensch.
Sehr mühsam, wenn ein dummes, kleines Stimmchen auf einmal im Kopf drin aufmuckt und Zweifel weckt. Ich begab mich genervt an die Suchmaschine, um dem unsichtbaren Plagegeist zu zeigen, dass Stricken sicher nicht umweltschädlich ist. Das Resultat ist, dass ich eines besseren belehrt wurde. Ich greife hier nur das Thema “Superwash” auf.
Hinweis: Dieser Beitrag erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Korrektheit. Bei Bedarf recherchiert bitte selbst.
Ich bin Ende 1969 geboren. Superwash kam in den 70er Jahren. Man kann also sagen, meine gesamte strickerische Laufbahn hindurch hat es Superwash-Garne gegeben. Ich sah Reklamen im Wollgeschäft zuhause. Ich las die Etiketten, als ich lesen gelernt hatte. Ich stieß in den Anleitungsheften drauf. Meine Mutter erzählte davon. Manche Dinge strickt man einfach mit ausgerüsteter Wolle, wenn einem die Arbeit und das Geld etwas wert sind. Die Frage, ob diese “Ausrüstung” irgendwie schädlich ist, hat sich überhaupt gar nie gestellt. Kein Mensch – abgesehen von den Hippies, die gar nicht so oft anzutreffen waren – hat sich Gedanken gemacht, ob die ganzen Dünger und Gifte ein Problem sind. Es wurde so viel Müll in den Wäldern entsorgt, dass es sich jüngere Menschen überhaupt nicht vorstellen können.
Es war einfach überhaupt nicht die Zeit, um Kunststoffe, Behandlungsmethoden oder “Superwash” in Fragen zu stellen. Man hat sich eher an den Kopf gelangt, wenn eine Kundin eine unbehandelte und somit nicht waschbare (das ist Quatsch!) Wolle gekauft hat. Es war ein Segen für die Hausfrauen, von denen es zumindest in der Schweiz sehr viele gab, wenn sie so gut wie alles in die Waschmaschine geben konnten. Wieso sollte man sich da noch mit handgestrickten Dingen abplagen, die man von Hand waschen musste?
Meine Mutter hat übrigens auch mit nicht ausgerüsteter Wolle gestrickt. Ich erinnere mich gut an Strumpfhosen und Mützen, die teuflisch gekratzt haben und von Hand gewaschen wurden, damit sie nicht verfilzten.
Es wird Zeit, die Wirkungsweise der Superwash-Ausrüstung zu betrachten: Das Verfahren wurde angepriesen als Technik, die das Verfilzen und Eingehen (was ja unmittelbar miteinander verbunden ist) verhindert, sodass das Garn in der Maschine gewaschen werden kann. Außerdem macht es die Wolle weicher. Erreicht werden die neuen, veränderten Eigenschaften der Schafwolle dadurch, dass die Haarschuppen chemisch entfernt und das Material danach mit Polymeren überzogen wird.
Genau. Vereinfacht gesagt, wird das Naturprodukt Schurwolle mit Kunststoff überzogen. Na, bravo. So viel zu Öko-Strick-Sandalenträger-Hobby.
Für Superwash spricht:
Pflegeleichtigkeit: Maschinenwaschbar unter Berücksichtigung von Temperatur, Waschmittel und Schleuderzahl.
Formstabilität: Ursprüngliche Größe bleibt erhalten, da die Wolle nicht verfilzt. Filzen ist immer einhergehend mit Verdichtung/Komprimierung.
Weichheit: Kann direkt auf der Haut getragen werden, da die kratzigen Haarschuppen entfernt worden sind und die Haare mit einem Kunststoff überzogen wurden.
Brillantere Farben: Soll dazu führen, dass Farbstoffe regelmäßiger aufgenommen werden und besser halten.
Das klingt doch gut, nicht wahr?
Gegen Superwash spricht:
Verringerte Atmungsaktivität: Durch die Harzbeschichtung kann die Atmungsaktivität der Wolle beeinträchtigt sein.
Veränderte Struktur: Das Produkt ist anders anzugreifen als unbehandelte Wolle. Wer schon mal Rohwolle vom Bergschaf in den Händen hatte, weiß, was ich meine.
Umweltauswirkungen: Der chemische Prozess der Superwash-Prozedur kann negative Auswirkungen auf die Umwelt haben.
Eine beeinträchtigte Atmungsaktivität nimmt der Wolle eine ihrer wichtigen Eigenschaften. Über die veränderte Haptik könnte man diskutieren. Wirklich ungut sind die negativen Wirkungen auf die Umwelt:
Nicht biologisch abbaubar: Im Gegensatz zu unbehandelter Wolle ist Superwash-Wolle aufgrund der Kunstharzbeschichtung nicht vollständig biologisch abbaubar und trägt somit zur Müllproblematik bei.
Belastung durch Chemikalien: Der Einsatz von unter anderem Chlor kann zu Wasserverschmutzung führen, wenn die Abwässer nicht richtig aufbereitet werden. Diese Chemikalien können schädlich für Wasser- und weitere Lebewesen sein. Am Ende auch für Menschen.
Mikroplastik: Die synthetischen Harzschichten auf den Schafhaaren können sich beim Waschen nach und nach in Form von Mikroplastik lösen und in die Umwelt gelangen. Mikroplastik ist bekanntlich ein wachsendes Problem für unsere Ökosysteme und nicht zuletzt die menschliche Gesundheit.
Ressourcenverbrauch: Der Superwash-Prozess ist energie- und wasserintensiv. Das Waschen und Behandeln der Wolle in mehreren Schritten benötigt erhebliche Mengen an Ressourcen.
Nachdem ich das in Erfahrung gebracht hatte, musste ich mein Gewissen beruhigen. Es ist immer noch besser, handgestrickte Socken und Pullis zu tragen, die jahrelang halten werden, als Fast Fashion aus Bangladesh zu konsumieren. Wenigstens haben wir in Europa Abwasservorschriften usw. Aber ich hatte noch keine Ruhe mit dem Stimmchen im Kopf, also stöberte ich weiter.
Lange vor mir sind Menschen drauf gekommen, dass die Superwash-Prozedur problematisch ist. Es gibt bereits ein Verfahren, das Enzyme einsetzt und umweltschonender ist. Für mich als Strick- und Wollfan stellt sich die Frage: Was habe ich jetzt für Möglichkeiten? Woher weiß ich, welches Verfahren angewendet wurde? Darf ich keine Superwash-Garne mehr kaufen?
Lösungsansätze für Strickfans
Bewusst verzichten auf Superwash-Garne und natürliche, nicht superwash-behandelte Wolle verwenden. Manch hochwertige, naturbelassene Wolle kann durch schonende Handwäsche oder im Wollwaschgang der Maschine (mit einem geeigneten Wollwaschmittel und niedriger Schleuderzahl) oft problemlos gepflegt werden. Es sind immer die Pflegehinweise der Hersteller zu beachten!
Und ganz ehrlich: Es ist noch nie ein Mensch gestorben, weil er ein Strickstück von Hand waschen musste. So ein Drama ist Handwäsche jetzt auch nicht, wenn man weiß, was man macht!
Indem wir unsere Strickstücke wertschätzen, sie gut pflegen und bei Bedarf reparieren, können wir ihre Lebensdauer verlängern und somit den Ressourcenverbrauch reduzieren – unabhängig davon, ob es sich um Superwash-Wolle handelt oder nicht. Wir sollten wieder vermehrt auf Langlebigkeit von Kleidung setzen. Und gerade bei Dingen, die wir eigenhändig gestrickt haben oder die jemand anderes für uns gemacht hat, kann man erwarten, dass wir sie bewusst pflegen, oder?
GOTS-zertifizierte Wolle kaufen: Das Global Organic Textile Standard (GOTS) Zertifikat garantiert nicht nur ökologische Standards beim Anbau der Rohstoffe (z.B. biologische Schafhaltung), sondern auch bei der Weiterverarbeitung, inklusive der Behandlung der Wolle. Hier ist der Link zu GOTS, bitte hier klicken (öffnet neues Fenster/neuen Tab). Wer sich ein bisschen für Textilien interessiert, findet dort sehr viele Informationen!
Innovative, umweltfreundlichere Superwash-Verfahren: Abgesehen von der Enzym-Behandlung arbeiten einige Hersteller offenbar an neuen Superwash-Methoden, die weniger aggressive Chemikalien verwenden oder auf umweltfreundlichere Alternativen setzen. Es gibt immer die Möglichkeit, sich auf den Webseiten der Garnhersteller zu informieren. Hersteller, die in der Lage sind, moderne Verfahren einzusetzen, geben bestimmt gern Auskunft.
Mischgarne mit Naturfasern: Garne, die natürliche Fasern wie Wolle oder Baumwolle mit einem geringen Anteil an recycelten oder biologisch abbaubaren Kunstfasern kombinieren, können eine gute Balance zwischen Pflegeleichtigkeit und Umweltverträglichkeit bieten.
Liebe Leute. Mit dem Thema ließe sich ein Buch füllen, wenn man genug davon verstünde. Ich habe hier einen einfachen Abriss verfasst. Für mich nehme ich heraus: Ich mache mir keine Sorgen mehr, dass ich nur maschinenwaschbare Sockenwolle erwische. Für mich selbst ist es sowieso egal, aber ich hatte die Befürchtung, dass Leute nur gestrickte Socken kaufen wollen, die garantiert in der Maschine gewaschen werden können. Ich habe mich nun dazu entschieden, dass ich nicht mehr drauf achte. Und sollte ich eine unbehandelte Sockenwolle auftreiben, gebe ich die Information weiter, wie das Material gepflegt werden muss, also die Pflegehinweise des Herstellers.
Jetzt, da ich angefangen habe, mich mit dem Thema “Stricken und Umwelt” zu beschäftigen, darf ich feststellen, dass schon länger ein Umbruch im Gang ist. Viele Hersteller sind aktiv dabei, umweltschonende Garne zu entwickeln. Ich schätze, zu dem Thema wird es noch mehr zu erzählen geben.
Wenn ihr jetzt ein schlechtes Gefühl habt, weil ihr im Schrank hinter euch 27 kg Superwash-Sockenwolle hortet: Denkt bitte nicht im Traum daran, die gute Wolle zu entsorgen vor lauter Scham! Wir konnten es nicht wissen. Und es ist besser, diese Wolle einfach zu verwenden, als sie ungenutzt wegzuwerfen! Wenn die Existenz dieser Knäuel Umweltschaden verursacht hat, ist dieser bereits bei der Herstellung geschehen. Sie jetzt direkt der Entsorgung zuzuführen, wäre dumm. Diese Garne sollen und müssen bestimmungsgemäß verbraucht werden, sonst war die Umweltbelastung durch ihre Produktion noch viel schlimmer, weil unnötig.
Was können wir Strickerinnen und Stricker tun?
Uns auf den Kauf und die Verarbeitung von Garnen konzentrieren, die so umwelt- und tierfreundlich wie nur irgendwie möglich hergestellt wurden! Ich glaube aber, dass das nicht jedem von uns möglich ist: Ohne den geringsten Vergleich angestellt zu haben, denke ich mir, dass die “gute” Wolle teurer ist, als die “böse” Wolle. Viele von uns können sich einfach gar nicht die teurere Wolle leisten, auch ich nicht. Was glaubt ihr, wieso ich so gern bei Wer die finanzielle Möglichkeit hat, kauft sicher gern die “guten” Garne. Davon bin ich überzeugt. Und auch davon, dass die Hersteller alles geben, um die Fabrikation von Wolle ökologisch zu entlasten. Ich vertraue ihnen.
Und jetzt muss ich direkt mal schauen, ob ich Wolle ohne Superwash-Ausrüstung in meinem kleinen Vorrat habe 🙂
Übrigens läuft im Kreativ-Shop von buttinette vom 30.04. – 31.05.2025 der Mid-Season Sale, wie ich vorhin erfahren habe
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